Samstag, September 22, 2007

Meet me at the Barricade!

Die Uhr schlägt geduldig Samstag und meine Hände kleben immer noch an der Tastatur. Seit Stunden, Tagen, Wochen sind meine Finger zu einem harmonisch hinklappernden Küchengeräuschimitationssignal geworden und in meiner entwaffnenden Allmachtsphantasie dürfen sie auch nicht mehr damit aufhören - deshalb klappern sie immer noch.

2 Laptops in 50 m2 sind scheinbar noch immer nicht genug. So richtig schräg wird es erst als Laptop 1 in Mitten des schweigenden Redenschreibens für andere ein Gespräch mit mir beginnt. "Du hast doch auch diese eine CD gekauft - vielleicht magst Du auch diese kaufen...?"

Spinnt der? Wie kann er sich trauen mich zu unterbrechen? Geht´s noch? Und es kommt anders - besser als gedacht. Irgendwie kommt es dem letzten Funken meines Privatlebens doch komisch vor, dass sich selbst mein Laptop scheints schon Sorgen bezüglich der Ruhe um mich herum macht. Was sollte ich denn kaufen wollen? Was denkt sich denn die künstliche Intelligenz als Muntermacher für mich aus? Die neue Stars! Hör ich richtig oder bin ich taub geworden. Mein Laptop weiss vor mir, dass es eine neue Stars gibt? Fragen nach dem Gemütszustand zwecklos und völlig, völlig unangebracht.

Sofort kaufen, laden und Emotion schießen. Hab ich mich 10 Sekunden davor noch um den Emotionalisierungsgrad meiner völlig übermüdet getexteten Reden gesorgt, so ist das weitere 10 Sekunden später wohl ganz sicherlich nicht mehr notwendig.

Sofort kramt mein Verstand in der Mottenkiste der Erinnerung. Stars. Wow! Das beste Konzert jemals live erlebt. Mit Abstand. Und Anstand. Das aller, aller beste Konzert! Damals, ja einst vor einem Jahr in der Szene Wien. Eingebrannt in den Kopf hat sich der Anblick des völlig verschlafenden Musikers, der kurz vor knapp aus dem Anhänger des Nightliners gekippt ist um nahtlos 10 Sekunden später glücklich auf der Bühne zu landen. Was man in 10 Sekunden so alles erleben kann! Unfassbar eingebrannt ins Herz haben sich diese Stimmen und die Gesichter der anwesenden Menschen um mich herum. Diese Engelsstimme, die so wahr und echt und unendlich fühlend "one more night" singen kann - kann ich nicht beschreiben. "Your Ex-Lover is dead" hab ich damals erst so richtig verstanden. Da waren 100 Jugendliche um mich herum. Und als ich so halb versteckt an der Box der zugegeben immer noch heimeligen Szene gelehnt bin, hab ich verstanden größer geworden zu sein - so kurz vor dem 30´er. Jetzt Minuten vor dem 31´er kommt das wieder hoch. Kurz vor dem Fallen dann doch einen Blick in die Runde geworfen und in sehr vertraute Augen geblickt und vom musikalischen Herzensgefühl in den Augen eines so lieben Freundes wieder auf die richtigen Beine gestellt zu werden. Alles gut.

Diese Jugendlichen und teils beruflich jugendlich gebliebenen Menschen dachten doch tatsächlich "one more night" wäre so ein Schmuse-Liebhabelied. Mein Hammer samt Amboß im kleinen Ohr haben auf Sturm auf mein Herz eingeschlagen. Großer Alarm. Keine Übung. Und die freudig glücklichen Gesichter der jugendlichen Szenegänger haben nichtsahnend geraucht und getrunken als wären wir beim Herbstfest der Indiemusik. Einzig 5 - 10 bereits jugendlich traumatisierte Gesichter mit dazupassenden Herzen waren genauso hinweggetragen von der Schönheit und gleichzeitig verzerrt vor Schmerz.

Unnötig die richtige Passage diesbezüglich lang auszurufen:

Try as he might he's unable to speak
He grabs her by the hair, he strokes her on the cheek
The bed is unmade like everything is
Dark little heaven at the top of the stairs
Take me like that, ruin it all
Then build it again by the light in the hall
He drops to his knees says please my love, please
I'll kill who you hate, take off that dress, you won't freeze

He starts with her back cause that's what he sees
When she's breaking his heart she still fucks like a tease
Release to the sky, look him straight in the eye
And tell him that now, that you wish he would die
You'll never touch him again so get what you can
Leaving him empty just because he's a man
So good when it ends, they'll never be friends
One more night, that's all they can spend


Und als das alles langsam zu mir zurück findet oder seinen Weg an die Oberfläche sicher bahnt spielt der Laptop genauso lieblich wie die Stars durch Trick 17 getarnt ganz plötzlich unendlich sanft "Barricade" an. Hammer hämmert wieder verstärkt durch Amboss direkt ins Herz. over and out. Ohne Worte.

Dann ganz plötzlich die Rede lange Worte sein gelassen und kurz auf die Stars-Page abgebogen. Ob die wohl irgendwann wieder irgendwo spielen würden? Und ich traue meinen Augen nicht, weil der Hammer ja immer noch so hämmert und reime erst ganz langsam die Worte "Radiokulturhaus - morgen - und Wien" zu einem vernünftigen Satz zusammen. aha. sprachlos wieder.

Sprache als Ö1 Clubmitglieg schnell wieder gefunden. Karten kaufen jetzt und Rettung durch Genuss gleich. War eh noch auf der Suche nach einem Geburtstagsgedanken und der kommt sicher nirgendwo besser als bei einem Stars-Konzert auf. Wie? Karten kann man nur gewinnen!!! Kann nicht sein. Einen Anruf später erkenne ich, dass die gesamte FM4 Fraktion nun um einen Stalker reicher geworden ist. Ich erkläre eindrucksvoll, warum es ganz und gar wichtig wäre eine Karte zu ergattern. Mitspielen soll ich! Das Schlafzimmer meines Beziehungslebens abfotografieren - inszeniert als Schlachtfeld - und auf geht´s zu den Stars? Kann nicht sein. Hammer dröhnt mit Unverständnis auf Amboss und dieser gar wütend mitten ins Herz! Wären die einmal schon bei einem Stars-Gig gewesen, die wüssten man hätte die Möglichkeit für immer verspielt ein verniedlichendes Chaos-Foto einzusenden. Geht gar nicht. "One more night" passt einfach nicht ins Format - in kein Format - sicherlich nicht in 10x15 und kann auch nicht als .jpg kunstvoll verpackt werden. Kunstvoll geht vielleicht schon - ist aber dennoch dosenkost und kann beim öffnen leicht verderblich reagieren - wenn echt. Könnte den sicheren Untergang bringen! Unmöglich. Gefährlich. Sehr gefährlich. Nicht nachmachen! Kindern abraten davon!!!

"Schweren Aufgaben begegnet man am besten mit Leichtigkeit." Nun so liest sich der letzte Satz der Rede, zu der ich zerknirscht wieder zurückkehren möchte. Geht nicht so gut. Es ist die Ungeduld des Herzens, die mich nicht loslassen möchte.

"Es gibt eben zweierlei Mitleid. Das eine, das schwachmütige und sentimentale, das eigentlich nur Ungeduld des Herzens ist, sich möglichst schnell freizumachen von der peinlichen Ergriffenheit vor einem fremden Unglück, jenes Mitleid, das gar nicht Mit-leiden ist, sondern nur instinktive Abwehr des fremden Leidens von der eigenen Seele.

Und das andere, das einzig zählt - das unsentimentale, aber schöpferische Mitleid, das weiß, was es will, und entschlossen ist, geduldig und mitduldend alles durchzustehen bis zum Letzten seiner Kraft und noch über dies Letzte hinaus."

Ok, wird eben dies der Geburtstagsnachdenkeansatz. Danke, Herr Zweig. Und dann ruft auch schon der Musikversteher des Vertrauens durch um meine Lage bezüglich Stars-Tickets zu prüfen. Hat auch keine. Schwören gemeinsam nicht aufzugeben. Er hat sogar ein Foto geschickt - "leider nein" kam als Antwort zurück. Diese Antwort war auch auf dem Bild zu sehen.

Meet us at the Barricade!